Donnerstag, 14. April 2016 - 20:00 - 23:00

nimm 3 - Über Eileen Gray, Lina Bo Bardi und Merete Mattern

3 Kurzvorträge und Diskussion
Innsbruck
Österreich

Artikel aus der Printausgabe der Tiroler Tageszeitung vom Sa, 30.04.2016
von Edith Schlocker

 
Frauen, die sich Architektur trauen

Im Rahmen des Schwerpunkts „Frauen in der Architektur“ stellten drei junge Tiroler Architektinnen im Innsbrucker aut. architektur und tirol drei große Kolleginnen vor: Eileen Gray, Lina Bo Bardi und Merete Mattern.

Innsbruck – Obwohl 60 Prozent der Absolventen an österreichischen Architektur­fakultäten Absolventinnen sind, schaffen es nur rund zehn Prozent von ihnen in die berufliche Unabhängigkeit. Drei, die es gewagt haben, sind Kathrin Aste, Teresa Stillebacher und Helga Flotzinger, die im Rahmen des Schwerpunktthemas „Frauen in der Architektur“ im aut jeweils eine wichtige Protagonistin der Architektur der Moderne vorgestellt haben. Nicht zuletzt, um junge Kolleginnen zu ermutigen, „sich auch als Frau Architektur zu trauen“, so Elisabeth Senn, die Moderatorin des Vortragsabends, die als seit Jahrzehnten selbstständige Architektin vorlebt, „dass es geht“. Besser als noch vor wenigen Jahrzehnten, als hierzulande hoffnungsvolle weibliche Talente meist hinter ihren Männern in deren Büros verschwunden sind.

Die drei vorgestellten Architektinnen könnten unterschiedlicher nicht sein. Was sie verbindet, sind allerdings die idealen äußeren Bedingungen, die es ihnen ermöglichten, sich ihre Arbeit auch leisten zu können. Etwa die 1878 geborene Irin Eileen Gray, deren wohlhabende Familie zeit­lebens für ihre Unabhängigkeit sorgte. Um trotzdem ihre nach dem Ersten Weltkrieg in Paris eröffnete Galerie unter dem Männernamen Jean Deserts zu führen. Die von ihr entworfenen Möbel sind längst Klassiker der Moderne, dass Eileen Gray aber auch eine bemerkenswerte Architektin war – wenn auch von ihr nur zwei Häuser gebaut wurden –, weiß kaum jemand.

Besonders ihre in den späten 20er-Jahren an der Côte d’Azur gebaute und ausschließlich mit ihren Möbeln eingerichtete Villa E.1027 ist in ihrer schwebenden Anlage, ihrem Flachdach, offenen Grundriss und ihren faltbaren Glaswänden ein fabelhaftes Beispiel modernen Bauens. In ihren späteren Jahren arbeitete die links orientierte Architektin hauptsächlich an großen sozialen Projekten, von denen aller­dings keines realisiert worden ist. Um trotzdem 98-jährig in Paris als „very happ­y old lad­y“ zu sterben.

Erst nach ihrem Tod 1992 in Architekturkreisen einigermaßen bekannt wurde die 1914 in Rom geborene Lina Bo Bardi, die ihre Hochzeitsreise 1946 nach Brasilien gemacht hat und dort geblieben ist. Lehnt­e sie doch das formale Pathos des Faschismus total ab, um stattdessen in ihrer neuen Heimat die Ideen der Modern­e zu implantieren. Kombiniert mit der vitalen brasilianischen Kultur, die Bo Bardi sehr inspiriert hat. Besonders bei ihren auf Stelzen gestellten, rundum raumhoch verglasten Häusern, die von der Natur regelrecht infiltriert werden. Als Manifest gegen die nivellierende Macht der Globalisierung eingerichtet mit Objekten aus unterschiedlichen Kulturen, ohne ins Folkloristische abzudriften. In die Architekturgeschichte eingezogen ist Lina Bo Bardi allerdings mit dem 1968 eröffneten Kunstmuseu­m MASP und dem Sport- und Kulturzentrum Fábrica Pompeia (1980), beide in São Paul­o. Beim MASP wird der komplett aufgeständerte Bau zum riesigen öffentlichen Platz, zur „Architektur der Freiheit“, wie John Cage gesagt hat. Höchst ambitioniert kommt auch das auf einem alten Fabrikgelände errichtete Sport- und Kulturzentrum daher. Gebaut aus billigen Materialien „als Spiegel der Wirklichkeit“, wobei die einzelnen Gebäudeteile durch Brücken verbunden werden.

Noch zu entdecken gilt es die von Teresa Stillebacher vorgestellte deutsche Architektin Merete Mattern (1930–2007). Sie schaute der Natur ihre Strukturen ab, eingesetzt als gestalterisches wie funktionales Medium, ermittelt durch frühe Formen des parametrischen Entwerfens. Rund um kleine urbane Zentren errichtete Ökohäuser waren ihr großes Thema, mit dem Ziel einer möglichst geringen Zersiedelung der Landschaft. Errichtet in verdichteter Bauweise mit verschiebbaren Wänden, begrünten Dächern und symbiotisch genutzten Räumen, die die Bewohner möglichst selbst ausbauen sollten.